Seit meinem Geografie-Studium faszinieren mich verlorene Plätze, so genannte Wüstungen. Um diese verlassenen Objekte und Orte – Lost Places – entstand in den vergangenen Jahren ein regelrechter Hype, der von Fotografen, Historikern und anderen Geschichtsbewussten teils professionell betrieben wird.
Zahlreiche Plattformen im Web schossen in den vergangenen Jahren aus dem Boden. Alle mit einem Ziel: auf Spurensuche dieser Lost Places zu gehen. Heute bedient sich sogar das Geocaching dieser verlorenen Plätze und eine eingeschworene Fangemeinde, die ihre entdeckten Lost Places sorgsam hütet, vernetzt sich im Internet.
Ich sehe das Thema eher aus der Perspektive der gelernten Geografin und Germanistin. Stellen doch solche verlorenen Plätze eine Zeitkapsel dar. Denn der Platz, das Objekt, das verlassene Dorf war ja irgendwann einmal genutzt und bewohnt, und mit den ganz persönlichen Geschichten ihrer Menschen aufgeladen worden. Die Geschichten sind es, die Lebensumstände der Menschen, die mich an solchen Lost Places interessieren.
Wie finde ich diese Lost Places?
Mir „laufen“ verlorene Plätze scheinbar zufällig über den Weg. Da halte ich für eine kurze Pause am Straßenrand, und mein Blick fällt auf ein aufgelassenes Industriegebäude. Oder ich erhalte eine Einladung zu einem Ausflug ins Umland, und man führt mich zu einer aufgelassenen Trabrennbahn. Oder ich durchforste alte Briefe und Karten und finde Anhaltspunkte zu ganz verschollenen Örtlichkeiten.
Jedenfalls beflügeln die Geschichten um solch verwunschene Ecken meine Fantasie. Und dann schreibe ich wieder Kurzgeschichten darüber und belebe einen aufgelassenen Friedhof mit meinen Protagonisten.

Außenmauer des Fort Forno bei Bale, Istrien Geschützturm Fort Forno bei Bale, Istrien Knochen innerhalb der Ruinen von Dvigrad, Istrien Hausruine in Pazin, Istrien Altes Postgebäude im Freilichtmuseum Luckenbach in Texas, USA Ruinen der Stadt Dvigrad in Istrien Aufgelassenes Gebäude in Pazin, Istrien Aufgelassene Trabrennbahn, Gebäude der Morris Ranch, Fredericksburg im Gillespie County, Texas, USA Die ehemalige Familienvilla der Erbrichtereibesitzer Richter/Wohofsky in Dorfteschen, Tschechien
Woher kommen, wohin gehen wir?
Hinter all dieser Faszination für altes Gemäuer versteckt sich aber auch eine der existenziellsten Fragen des Menschseins: Die Frage nach dem Woher wir kommen und wohin wir gehen.
Und sobald wir uns dieser Fragen stellen, beginnen wir uns mit den Lebensgeschichten unserer Vorfahren ganz automatisch zu beschäftigen. Wie haben sie gelebt? Was war ihnen wichtig? Was lernten sie und wie arbeiteten sie?
Manche dieser Fragen beantworten die Freilichtmuseen und Ausstellungen. Aber die Atmosphäre, den Atem, den die verlorenen Plätze heute noch vermitteln, vermag kein Museum zu transportieren.
So verstehe ich die Faszination, die diesen Lost Places vorauseilt, ganz besonders gut. Begibt man sich mit ihnen ja auch auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. In die Schicksale vergangener Epochen.
Und damit komme ich zu den Geschichten dahinter. Was es mit der Familienvilla, wie in der Galerie gezeigt, auf sich hat, beschrieb ich schon in diesem Artikel. Und welche Bewandtnis ich mit den anderen verlorenen Plätzen teile, wird demnächst hier am Blog beschrieben. Ich werde dann hier zu den einzelnen Artikeln verlinken.
Verlorene Plätze konservieren
Bis dahin, haltet die Augen offen nach solchen verwunschenen Plätzen. Es gibt bestimmt ein paar davon auch in eurer näheren Umgebung. Fotografiert sie, auch wenn ihr sie nur von außen betrachten könnt. Fragt die Menschen, die in der näheren Umgebung dieser Plätze leben, nach den Geschichten dahinter.
Denn, verfallende Gemäuer stehen zwar recht lang, aber die Natur holt sie sich nach Jahrzehnten urplötzlich zurück. Und wenn der letzte Mauerstein überwuchert ist, weiß meist auch niemand mehr um die Geschichte und die Menschen, die diesen Platz einmal bewohnten, bescheid. So geht mit dem letzten Stein auch das Wissen um diesen Platz verloren.
Urheberrecht aller Fotos in diesem Artikel bei Angelika Wohofsky. Eine weitere Nutzung der Fotos durch Dritte ist ausnahmslos untersagt und bedarf der schriftlichen Einwilligung der Inhaberin des Urheberrechts.

Die Autorin
Gelernte Geografin und Germanistin, Urheberin einer verkehrsgeografischen Diplomarbeit mit dem Titel: „Die verkehrsgeografische Entwicklung Kärntens unter dem Aspekt der technogenen Formen“ (1996, KF Uni Graz).
Damals erkannte Wohofsky, wo Straßen und Verkehrswege (auch Fußwege) hinführen, dort entwickelt sich eine lebendige Kultur. Ein Austausch der dort sich versammelnden Menschen und Lebensstile. Das war schon immer so, denn Handelsplätze entstanden immer an den Knotenpunkten von Verkehrswegen. Übrigens reiste der Mensch auch in historischer Zeit aus Sinngründen, wirtschaftlicher bis spiritueller Art.
Seit 2007 bloggt Wohofsky über ihr Leben, über ihre Reisen und Erlebnisse; teilweise verdiente sie sogar ihren Lebensunterhalt mit Bloggen.
Heute gehört ENTDECKT DIE WELT ins Content-Universum ihrer Arbeit als Spezialistin für digitale Kommunikation.
Dieses Blog fungiert aber als rein privates Blog aus purer Lust am Reisen mit Sinn.
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