
Wirtschaftstheorie, Konjunkturzyklen und Folgenabschätzung – Die Theorie der Langen Wellen des russischen Wissenschaftlers Nikolai Kondratieff, auch Kondratieffzyklen genannt, liefert eine Erklärung zum aktuellen Krisenstatus der westlichen Staaten.
Dieser Beitrag bietet eine umfassende Erklärung der Kondratieffzyklen, einen Ausblick auf die kommenden 10 Jahre und den Berufen mit Zukunft. Denn die Digitalisierung wird keine Vollbeschäftigung mehr bringen. (Titelbild: https://www.kondratieff.net/kondratieffcycles)
Die Theorie der Langen Wellen
Unter der Theorie der Langen Wellen versteht man eine wissenschaftliche Theorie zu Konjunkturwellen, die den gesamtgesellschaftlichen Strukturwandel ganzheitlich zu erklären vermag. Sie zeigt die gegenseitige Abhängigkeit gesellschaftlicher Bereiche wie Wirtschaft, Wissenschaft, Soziales, Moral, Religion etc. auf, um daraus konkrete Perspektiven für zukünftiges Wirtschaftswachstum abzuleiten.
Als Begründer dieser Theorie gilt der russische Wissenschaftler Nikolai Dmitrijewitsch Kondratieff (1892-1938). Er erkannte als erster lange Konjunkturwellen, die über mehrere Jahrzehnte andauern. Demnach werden diese Langen Wellen auch Kondratieff-Zyklen genannt.
Laut Leo A. Nefiodow, der sich als Kommunikator der Kondratieff-Wellen im deutschsprachigen Raum versteht, sicherte ein Kooperationsprojekt mit der Universität Sussex in Großbritannien und dem Institut für Angewandte Systemanalyse in Laxenburg, Österreich während der 1970er und 1980er Jahre durch neue Methoden und Verfahren die Theorie der Langen Wellen wissenschaftlich ab.
Ein anderer Österreicher, Joseph Schumpeter, strich die Bedeutung von Basisinnovationen als Motor eines Konjunkturzyklus heraus. Schumpeter prägte schlussendlich auch den Begriff „Kondratieffzyklus“.
Die Basisinnovation
Jeder Kondratieffzyklus wird durch eine bahnbrechende Innovation aus Technik und Gesellschaft ausgelöst, sodass man von einer Basisinnovation spricht. Sie hat tiefgreifende Wirkung auf die Wertschöpfungskette der Wirtschaft.
Basisinnovationen treten alle 40 bis 60 Jahre auf und verändern massiv die Wirtschafts-, Gesellschafts- und politischen Strukturen. Der Zeitraum zwischen den Basisinnovationen wird als Kondratieffwelle, Langzyklus oder Lange Welle bezeichnet. Bis sich eine Basisinnovation jedoch durchsetzt, dauert der Umbau vorhandener Infrastrukturen und deren Anpassung an den neuen Langzyklus rund 20 Jahre – siehe Darstellung mit den Übergangszeiten. Die Basisinnovation selbst bestimmt hingegen das Wirtschaftswachstum innerhalb der Kondratieffwelle über einen Zeitraum von 20 bis 40 Jahren.
Wichtig dabei ist zu wissen, dass die Basisinnovation immer an einem Bereich auftritt, in dem es zuvor zu einem Produktivitätsengpass gekommen ist und diese Innovation folgerichtig eine Wachstumsbarriere zu überwinden hat, bevor sie tatsächlich den Konjunkturschub auslöst. Die Übergänge von einem Kondratieffzyklus zum nächsten sind somit fließend.
Der Website von Leo A. Nefiodow ist zu entnehmen, dass es sich beim aktuellen Kondratieffzyklus um den 6. Zyklus aller statistisch historisch nachgewiesenen Langen Wellen seit dem 18. Jahrhundert handelt. Und mit den Zyklen geht auch der Aufstieg von Großmächten einher.
Die Basisinnovationen waren und sind
- 1. Kondratieff (1780 bis 1830) – Erfindung der Dampfmaschine als Basisinnovation verändert die Textilindustrie und die Wertschöpfungskette am Bekleidungssektor.
- 2. Kondratieff (1830 bis 1870) – Basisinnovation ist die Stahlindustrie und die Eisenbahn als Transportmittel, was sich auf die Wertschöpfungskette des Massentransports von Gütern disruptiv auswirkt.
- 3. Kondratieff (1870 bis 1920) – die Basisinnovation in Elektrotechnik und Chemie löst den Massenkonsum aus.
- 4. Kondratieff (1920 bis 1950) – die Basisinnovationen des Automobils und im Bereich der Petrochemie lösen den Schub zur individuellen Mobilität rasch aus; ein kurzer Zyklus, wohl infolge des rasanten Innovationsschubs, ausgelöst durch Zweiter Weltkrieg und Kriegstechnologie.
- 5. Kondratieff (1950 bis 2000) – ausgelöst durch die Basisinnovation „Computer“ in der Informationstechnologie wandeln sich die Wertschöpfungsketten in den Wirtschaftssektoren der Information und Kommunikation. Das Internet ist ein Resultat dieser Basisinnovation.
- 6. Kondratieff (2000 bis ???) – die Basisinnovation wurde bereits im Bereich der Biotechnologie und der psychosozialen Gesundheit identifiziert und wird sich disruptiv auf den ganzheitlichen Gesundheitssektor auswirken.

Den 6. Kondratieff verortet Nefiodow im Gesundheitsbereich, da dort die Kosten explodieren und Produktivitätsverbesserungen die größte Wirkung zeigen werden. Damit ist Gesundheit „der wichtigste Motor für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung“ in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts. Nefiodow sieht weiters jene Länder im Vorteil, die diesen Produktivitätsengpass im Gesundheitswesen am schnellsten überwinden. Denn sie tragen das Potenzial zur Großmacht des 6. Kondratieffs in sich.
Auch gilt dieser sechste Lange Welle nicht als technologische Revolution. Eine solche ist nicht zu erwarten, vielmehr aber eine technologische Evolution.
Vollbeschäftigung als Kriterium für eine Lange Welle
Jede Lange Welle (Kondratieffzyklus) erschließt neue Märkte und neue Arbeitsplätze entstehen. Damit sind wirklich neue Arbeitsplätze gemeint, denn den Lokführer gab es beispielsweise vor Erfindung der Eisenbahn noch nicht. Genauso wenig gab es Elektriker vor der Zeit der Elektrotechnik, es gab keine Chemiker, keine Erdöl verarbeitenden Unternehmen und schon gar keine Informatiker und Computerspezialisten.
Die Lange Welle löst eine Disruption am Arbeitsmarkt aus, was einen starken Anstieg der Beschäftigung in diesem neuen Bereich rund um die Basisinnovation bedeutet. Andere Arbeitsplätze fallen dafür weg, werden wegrationalisiert, da ihre Produktivität nicht mehr gewährleistet ist. Oder man keine Produktivitätssteigerung mehr mit ihnen erreicht.
Digitalisierung, ein Auslaufmodell?
Folgt man der Kondratieff’schen Logik, dann stellt die Digitalisierung keine (!) Basisinnovation für die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts, für genau diesen 6. Kondratieff dar. Ihre Zeit als Konjunkturmotor und notwendiger Teil der Basisinnovation „Informationstechnik“ ist vorbei. Vielmehr wird man Digitalisierung im Alltag überall nutzen, sie wird aber keine wirtschaftlichen Strukturveränderungen mehr mit sich bringen und Vollbeschäftigung auslösen. Nefiodow erwartet für Digitaljobs sogar einen Beschäftigungsrückgang.
Anmerkung: Die Entwicklung der Digitaltechnik löste zwar mehrere Innovationsschübe aus. Die Digitalisierung stellt aber keine Basisinnovation als solches dar, ist sie doch ein Vorgang und keine konkrete Innovation. Sehr wohl gilt sie aber als Träger und "technologischer Auslöser" des fünften Kondratieffs.
Auch die Tatsache, dass Kondratieffzyklen einen Lebenszyklus von 40 bis 60 Jahren aufweisen, spricht gegen die Digitalisierung als Basisinnovation des 6. Kondratieffs. Schließlich gibt es diese schon seit rund 70 Jahren!
Der Jobmotor des 6. Kondratieffs liegt ganz woanders, nämlich in der Gesundheitswirtschaft.
Was passiert mit vorangegangenen Basisinnovationen?
Angesichts der im durchschnittlich 50-jährigen Rhythmus wechselnden Basisinnovationen und des Lebenszyklus einer Langen Welle von 40 bis 60 Jahren, verschwinden die vorangegangenen Innovationen keinesfalls. Im Gegenteil, sie bleiben uns erhalten und fließen in den Alltag der neuen Basisinnovation, von der die vorangegangene abgelöst wird, ein.
So wird die Digitalisierung nicht verschwinden, wohl aber legt sie die Basis zur Umsetzung des 6. Kondratieffs, der nächsten Langen Welle. Als Beispiele dafür gelten zukünftige Kommunikations- und Informationstechnologien (Augmented und Virtual Reality), die Robotik, Künstliche Intelligenz (KI oder AI) und die medizinischen Anwendungen der Nanotechnologie, die ohne Informationstechnologie nicht möglich wären.
Epizentren der Innovation
In die Kerbe der Vollbeschäftigung und damit einhergehenden Unternehmensgründungen schlägt auch das Zukunftsinstitut in einem Artikel von Dr. Reinhold Rapp. Er identifiziert die Basisinnovation an speziellen Innovationskernen, die sich geografisch verorten lassen – siehe Großmächte eines Kondratieffzyklus.
Der Strukturwandel strahlt von diesen Regionen aus, in denen sich Startup-Unternehmen tummeln und die die Konjunktur ankurbeln und für Vollbeschäftigung während dieser Langen Welle sorgen. Diese Regionen tragen das Potenzial in sich, das staatliche Gefüge um sie herum zur Großmacht der entsprechenden Basisinnovation zu entwickeln.
- 1. Kondratieff – Dampfmaschine, Textilsektor – Epizentrum im Norden von England
- 2. Kondratieff – Eisenbahn und Stahlindustrie – von England aus ein Siegeszug in Europa und Nordamerika und Katalysator für Schwerindustrie
- 3. Kondratieff – Elektrifizierung – Epizentren sind die Ostküste der USA (Edison) und Berlin (Siemens & Halske
- 4. Kondratieff – Automobil und Petrochemie – Mannheim (Benz) und Stuttgart (Daimler), mit Innovationsschub industrieller Massenfertigung von Automobilen in den USA (Ford)
- 5. Kondratieff – Informationstechnologie – Harvard Cambridge (Mark 1 von IBM) und dem Innovationsepizentrum Silicon Valley, USA
- 6. Kondratieff – Biotechnologie und ganzheitliches Gesundheitswesen – Epizentren in USA rund um Boston, New York und Baltimore; etwas hinterher hinkt Deutschland (Biontech und Curevac)
Jahrhunderte der Großmächte
Interessant erscheint der Umstand, dass Historiker von Großmächten sprechen, die die Jahrhunderte prägten. So nahm Großbritannien weltweit wirtschaftlich und politisch Einfluss auf das gesamte 19. Jahrhundert (1. und 2. Kondratieff).
Das 20. Jahrhundert hingegen dominierten die Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland (3., 4. und 5. Kondratieff). Wobei ich China und den asiatischen Raum nicht als Epizentrum ansehe, da die ersten Unternehmen, die diese Innovationen des v.a. 5. Kondratieff (KI, Internet, Robotik mit bspw. Boston Dynamics) hervorbrachten, im Silicon Valley bzw. in den USA ansässig sind.
Die Frage stellt sich jedoch, ob Deutschland tatsächlich den Sprung zu einem Epizentrum des 6. Kondratieff schaffen wird, oder „Anhängsel“ der USA bleibt. Auch sehe ich kein Potenzial zum die Weltwirtschaft bestimmenden Epizentrum für den 6. Kondratieff in Asien (China, Singapur,…) entstehen. Trotzdem Boston Dynamics (eine Ausgründung des MIT 1992) vom südkoreanischen Hyundai Konzern 2021 übernommen wurde, bleibt der Sitz dieses Unternehmens in Massachusetts, USA erhalten.
Auch in Österreich sind wertvolle Biotechnologie-Unternehmen ansässig. So verweist statista.de auf das kontinuierliche Wachstum von Biotechnologieunternehmen in Österreich. In 2020 wurden 416 Mio Euro Umsatz von 151 Biotech-Unternehmen gemacht. Die großen Player sind hierzulande Böhler Ingelheim und Novartis.
Wachstumsbarriere und 6. Kondratieff
Bevor ein Kondratieffzyklus seine Wirkung voll entfalten kann, müssen eine oder mehrere Wachstumsbarrieren überwunden werden. Nefiodow sieht für den 6. Kondratieffzyklus und dessen Anfangsstadium einer rund 20 Jahre dauernden Übergangszeit in der globalen, sozialen Unordnung die größte zu überwindende Barriere.
Auf soziale Unordnung deuten nach Nefiodow der seit der Jahrtausendwende expandierende Handel mit Drogen, Gewalt, Krieg, Flüchtlingsströme, Klimawandel, Korruption, Umweltzerstörung, Sabotage etc. hin.
Diese Unordnung verursachte 2019 weltweit Kosten und Verluste in der Höhe von 20.000 Milliarden (!) US-Dollar – die Folgen der Corona-Pandemie sind in dieser Zahl nicht enthalten. Diese Summe ist größer als das Bruttosozialprodukt der USA beträgt. Dieses Geld geht an anderer Stelle, nämlich dort, wo gesamtgesellschaftlicher und wirtschaftlicher Fortschritt nötig ist, ab.
Will man die soziale Unordnung wirkungsvoll bekämpfen, dann muss man beim Menschen und seinen Defiziten, Störungen und Krankheiten ansetzen.
Leo A. Nefiodow: https://www.kondratieff.net/the-sixth-kondratieff
Gesundung des Menschen ist der Weg zum Wachstum
Nefiodow stellt somit die These auf, dass sich gesund verhaltende Menschen
- keine Drogen nehmen,
- mit sich und den Ressourcen haushalten,
- nicht betrügen,
- nicht käuflich sind
- und verantwortungsvoll leben.
Daraus schließt Nefiodow, dass sozial gesunde Menschen über ein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl verfügen, für Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden eintreten. Sie verbreiten weder Hass noch Gewalt.
All diese gesellschaftlichen Faktoren beeinflussen den Grad der sozialen Unordnung. Also ist auf die Gesundung des Menschen zu achten, da soziale Unordnung als größte Wachstumsbarriere zu Beginn des 6. Kondratieffs anzuerkennen und zu überwinden ist.
Zu dieser gesellt sich noch eine zweite Barriere: die geringe Produktivität im Gesundheitswesen. Nefiodow meint, dass unser aktuelles Gesundheitsweisen Geld nicht mit Heilung verdient, sondern mit der Behandlung von Krankheitssymptomen. Damit wird ein Fass ohne Boden aufgemacht, weil die Symptome nie ausgehen. Statt Gesundheit zu fördern, entstehen durch die Symptombehandlung immer mehr Störungen, Krankheiten und chronische Erkrankungen. Dies geht mit einem wachsenden Bedarf an Medikamenten, Therapien und Verwaltung des Gesundheitssystems einher – siehe dazu das nicht mehr finanzierbare Gesundheitssystem in Großbritannien.
Konjunkturmotor Gesundheit
Im 6. Kondratieffzyklus geht es also nicht um klassische Gesundheitssysteme und Dienstleistungen als Motor zur Vollbeschäftigung. Die Wachstumsbarrieren weisen vielmehr auf ein ganzheitliches Gesundheitswesen hin, das sich durch Transformation des Bestehenden erst entwickeln wird.

Wie die Abbildung zeigt, ist für den 6. Kondratieff ein ganzheitlich spirituelles Gesundheitsverständnis in der Medizin und Biotechnologie zu erwarten. So werden sich die Infrastrukturen für die Wiederherstellung physischer Gesundheit um die Faktoren biologische, biosoziale, geistige, psychosoziale und spirituelle Gesundheit erweitern. Nefiodow führt Beispiele für einen neu entstehenden Gesundheitssektor als zentralen Wachstumsmotor für die Wirtschaft an:
- Biotechnologie, aber auch Naturheilverfahren
- Naturwaren, Naturkost, Landwirtschaft und Ernährung, Umweltschutz
- komplementäre und alternative Medizin inkl. Geistheilung, Quantenheilung,…
- Wellness-, Fitness- und Gesundheitstourismus
- gesundes Bauen und Wohnen, gesunde Kleidung und atmungsaktive Stoffe
- Eigenmedikation und Eigenbehandlung, auch Farb-, Musik- und Klangtherapien
- Gesundheitsseminare, Vorsorge, Gesundheit als Wettbewerbsfaktor, betriebliches Gesundheitsmanagement
- Nanotechnologien, optische Technologien, Robotik, Neurotechnologien, Künstliche Intelligenz
- Psychologie, Psychotherapie, Psychiatrie, Psychosomatik und Psychoinformatik
- Religion und Spiritualität
Beispiele für den Gesundheitsbereich
In diesen Bereichen des Gesundheitssektors entstehen die neuen Jobs. Jobs in der Biotechnologie oder zur ganzheitlichen Heilung von Krankheiten. Jobs im Bereich Fitness, Wellness und Gesundheit, insbesondere für den Tourismussektor – kein Koch, der nicht über Naturkost und Ernährung bescheid weiß.
Architekten werden spirituelle ganzheitliche und ökologisch verträgliche Methoden des Bauens entwickeln. Die Bekleidungsindustrie wird zu neuen atmungsaktiven Stoffen forschen, die unsere Gesundheit und die des Planeten fördern. Wir alle werden uns eine energetische Hausapotheke zulegen mit bestimmten Ernährungsstoffen und ganzheitlichen Heilmethoden, weil wir uns selbst diagnostizieren können.
Ärzte werden Quantenheilung durchführen und ein diagnostisch-therapeutisches Patientengespräch digital und unter ganzheitlich spirituellen Aspekten abhalten können. Selbst Krankenhäuser werden sich zu Gesundheitseinrichtungen wandeln, in denen der Vorsorge besondere Aufmerksamkeit gewidmet ist.
Auch die Landwirtschaft wird sich in Richtung Umweltschutz und Ernährung wandeln. Ich kenne heute schon Biolandwirte, die begleitend zum Verkauf ihrer Produkte auch Beratungen durchführen, da sie ausgebildete Kräuterpädagogen oder Heiltherapeuten sind.
Wir sind schon mittendrin
Wir sind heute gar nicht mehr so weit von diesen Zukünften entfernt. Im Gegenteil, Ärzte akzeptieren immer öfter medizinische Alternativen, und erkennen den Menschen als spirituell-ganzheitliches Wesen an. Von der Schulmedizin gezogene Grenzen weichen sich auf. Klassische Ärzte beziehen medizinische Alternativen mit ein und empfehlen diese, auch wenn sie sie selbst noch nicht verschreiben.
Auf der anderen Seite bietet v.a. die Biotechnologie in Kombination digitaler Technologien teils an Wunder grenzende Möglichkeiten der Heilung. Man sollte also diesen neuen Gesundheitssektor nicht verurteilen, wenn beispielsweise durch optische Technologien Blinde wieder sehen können und Neurotechnologie Gelähmte wieder gehen lässt. Auch schwierige Operationen führen heute schon KI-gesteuerte Roboter exakter und komplikationsfreier durch, als dass diese von einem versierten Chirurgen durchgeführt werden könnten – zitterfreie Operationen, geringe Wundbelastung.
Ein funktionierendes Gesundheitswesen wird im übrigen alle die hier beschriebenen fünf Ebenen umfassen, sodass wir die Wachstumsbarrieren der sozialen Unordnung und mangelnden Produktivität im Gesundheitssektor gemeinsam überwinden werden. Die Überwindung der einen Barriere wird der anderen dienlich sein.
Die Herausforderung im frühen 21. Jahrhundert besteht darin, den sechsten Kondratieff zu identifizieren und konsequent zu nutzen. Die Unternehmen, Regionen und Ländern, denen dies gelingt, werden zu den Gewinnern gehören.
Leo A. Nefiodow: https://www.kondratieff.net/kondratieffcycles
Ausblick Kondratieffzyklen
Wohin geht die Reise?
Digitalisierung und digitale Skills werden eine Selbstverständlichkeit darstellen, so wie wir heute die Grundkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen voraussetzen. Es gehört einfach dazu, einen Computer und die wichtigsten Programme bedienen zu können. Auch der Umgang mit Sozialen Medien und eine gewisses Grundvermögen an Medienkompetenz wird selbstverständlich sein. Niemand fragt heute, ob man multiplizieren oder subtrahieren kann. Niemand wird fragen – und ich denke, dass wird schon in weniger als zehn Jahren der Fall sein –, ob man Instagram, MS Office, das digitale Bürgerkonto, in der online Steuererklärung oder mit Apple Programmen versiert ist.
Österreich ist übrigens einer der Vorreiter im e-Government. Im deutschsprachigen Raum gibt es kein anderes Land, in dem man die meisten Behördenwege bereits digital erledigen kann. Es wird also zunehmend eine gewisse Grundkompetenz mit digitalen Medien, Werkzeugen, Programmen und Geräten vorausgesetzt. Schulen und Berufsausbildungen werden diese Kompetenzen ganz selbstverständlich vermitteln. Oder aber die junge Generation bringt viele dieser Kompetenzen bereits mit, weil sie mit digitalen Medien und Tools aufwächst.
Jenen 30 Prozent der Arbeitnehmer, denen heute noch digitale Grundkompetenzen fehlen, werden zunehmend Probleme bekommen, weil in jedem Arbeitsbereich digitale Technologien zum Einsatz gelangen. Weiterbildung dafür sehe ich im Schwinden. Es wird sie einfach nicht mehr geben. Wer heute noch Kurse in digitalen Anwendungen bekommt, sollte sie schleunigst in Anspruch nehmen. Es bleibt sonst nur noch das Selbstlernen übrig oder keinen Job mehr zu bekommen.
Somit wird die Digitalisierung nicht verschwinden, sondern sie ermöglicht ihre Weiterentwicklung v.a. im Bereich der Anwendung digitaler Technologien.
Ein neues Verständnis von Arbeit und Beruf
Da Routinejobs völlig verschwinden werden, weil sie KI-gesteuert von digitalen Technologien übernommen werden, müssen wir uns auch beruflich neu orientieren. Die Theorie der Kondratieffzyklen besagt ja, dass sich die gesellschaftliche, wirtschaftliche, politische, bildungspolitische, ökologische, soziale und technische Infrastruktur zugunsten der Basisinnovation transformiert. Vor der Eisenbahn gab es beispielsweise keine Lokomotiven, ein Länder durchquerendes Schienennetz mit Bahnhöfen, Zugpersonal, Lokomotivführern und Fachwerkbrücken aus Stahl sowie den Tunnelbau. All das musste erst errichtet werden, damit sich die Basisinnovation als Konjunkturmotor entfalten kann.
Das heißt die Basisinnovation bringt auch neue Berufe mit und ein neues Verständnis von Arbeitszeit. Da die Gesundheitswirtschaft den Konjunkturmotor im 6. Kondratieff stellt, wird es zwangsläufig zu neuen Arbeitsmodellen kommen – 4 Tage Woche, freiberufliches Arbeiten, Zeiten ohne Arbeit um sich weiterzubilden, zu reisen oder für die eigene Gesundheit etwas zu tun. All das wird Normalzustand.
Was tun wir mit den Menschen, die nicht mehr oder aus anderen Gründen diese neuen Berufe lernen? Prognosen schätzen, dass rund 30 Prozent der heutigen Arbeitnehmer ihre Jobs für immer verlieren werden. Umschulungen können nur einen kleinen Teil dieser Arbeitslosen auffangen. Bringt doch die soziale Unordnung ein großes Maß an Krise, Armut, Leid und Gewalt mit sich, was als Barriere überwunden werden muss und gleichzeitig den Nährboden für den Konjunkturaufschwung des 6. Kondratieffs bildet. Auch werden sich die Branchengrenzen aufweichen, weil unterschiedliche Arbeitsbereiche einander zuarbeiten.
Bedingungsloses Grundeinkommen
Die westlichen Industriestaaten werden somit ein gutes Drittel ihrer Bevölkerung finanziell auffangen müssen, wollen sie die Wachstumsbarriere der sozialen Unruhe überwinden. Nach heutigem Ermessen eignet sich das bedingungslose Grundeinkommen bestens dafür, was einer Verhaltensänderung bei der politischen Führungselite bedarf. Deswegen müssen wir uns vom Leistungsprinzip – nur wer etwas leistet oder arbeitet, ist wertvoll für die Gesellschaft – schleunigst verabschieden, weil es vom Prinzip aus ungerecht ist und soziale Unruhe erzeugt.
Hinweis: 30 Prozent der Jobs wird es in 10 bis 15 Jahren nicht mehr geben! Sie werden auch nicht durch Jobs in der Digitalisierung und auch nicht in der Biotechnologie aufgefangen!
Auch das Finanzsystem wird sich ändern, weil sich Geld digital leichter und schneller verwalten lässt. Die Börse handelt schon jetzt digital – die Blockchain-Technologie macht’s möglich.
Fazit zu den Kondratieffzyklen
Jene Länder, die heute Entscheidungen treffen, welche Wirtschaftssektoren sie fördern wollen, entscheiden über den Wohlstand von morgen. Dessen sollten wir uns heute bewusst sein. Gleichzeitig gilt es die Wachstumsbarriere zu überwinden, damit der 6. Kondratieffzyklus so richtig loslegen kann. Auf jeden Fall wird das Leben lösungsorientierter werden, weil wir uns mit diesem Planeten arrangieren müssen. Wenn der Umgang mit der Theorie der Langen Wellen ein solches gesteigertes Bewusstsein für die Zusammenhänge von Wirtschaft und Gesellschaft auslöst, dann sollten wir die Kondratieffzyklen wirklich ernst nehmen.
Quellen
Leo A. Nefiodow: kondratieff.net
Wikipedia: Petrochemie. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Petrochemie [abgerufen am 24. Jänner 2023]
zukunftsinstitut.de (02/2017): Dr. Reinhold Rapp, Die nächste Gründungswelle. URL: https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/die-naechste-gruendungswelle/ [abgerufen am 24. Jänner 2023]